Individualbesteuerung zur Verwirklichung der Gleichstellung

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge haben wir kürzlich das Jubiläum zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen auf eidgenössischer Ebene gefeiert. Wenn auch die Frauen rechtlich inzwischen gleichgestellt sind, hapert die tatsächliche Gleichstellung in der Gesellschaft nach wie vor. Mit ein Grund dafür ist unser Steuersystem, das das traditionelle Familienmodell der «Ein-Ernährer-Familie» steuerlich fördert. Deshalb lancieren die FDP.Die Liberalen Frauen Schweiz nun eine Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung in der Schweiz.

Das lachende Auge beim 50-jährigen Jubiläum der Annahme des Frauen-Stimm- und Wahlrechts vom 7. Februar 1971 bezog sich auf einen fundamental wegweisenden Gleichstellungsschritt für die Frauen, die seither hinsichtlich ihrer Rechte den Männern schrittweise gleichgestellt wurden (z.B. durch die Reformen im Eherecht, Scheidungsrecht oder Namensrecht). Das weinende Auge hingegen wirft den Blick auf den Fakt, dass die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft nach wie vor nicht erreicht ist (z.B. hinsichtlich politischer Vertretung, Lohngleichheit, Anteil der Frauen in Führungspositionen etc.). Ein essenzieller Hinderungsgrund ist unser Steuersystem, das die Arbeit von verheirateten Paaren so stark besteuert, dass sich ein zusätzlicher Zweitverdienst aufgrund der steigenden Progression oft nicht lohnt. Kommt hinzu, dass die Kinderbetreuungskosten in der Schweiz sehr hoch sind. Hier soll mit meiner parlamentarischen Initiative 20.455 «Steuerliche Entlastung für familienexterne Kinderbetreuung bis 25'000 Franken pro Kind und Jahr» Abhilfe geschaffen werden. Sie wurde von den zuständigen Kommissionen angenommen, ist aber im Parlament noch hängig.

Die Individualbesteuerung lässt in der Schweiz schon lange auf sich warten. Bereits Ende 90-er Jahre wurden parlamentarische Vorstösse eingereicht, die einen Systemwechsel hin zur Individualbesteuerung von Ehepaaren forderten. Eine dahingehende Motion der FDP-Fraktion aus dem Jahr 2004 wurde von beiden Räten an den Bundesrat überwiesen. Im März 2016 hat sich der Nationalrat erneut für die Individualbesteuerung ausgesprochen. Damit würde auch die sogenannte «Heiratsstrafe» abgeschafft. Doch Bundesrat und Ständerat wehrten sich dagegen. Im Juni 2019 doppelte ich mit einer neuen Motion 19.3630 «Individualbesteuerung endlich auch in der Schweiz einführen» nach. Während des Frauenstreiktags habe ich für dieses Anliegen fleissig Unterschriften im Ratssaal gesammelt, so dass am Ende 103 Ratsmitglieder aus den verschiedensten Parteien mitunterzeichneten. Obwohl eine absolute Mehrheit des Nationalrats die Forderung unterstützte, beantragt der Bundesrat dem Parlament die Ablehnung der Motion. Endlich ist der Vorstoss nun in der kommenden Frühlingssession traktandiert.

Den freisinnigen Frauen ist inzwischen der Geduldsfaden gerissen, weshalb wir eine Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung anlässlich des internationalen Tags der Frau am 8. März lancieren. Landeten bisher sämtliche Vorstösse in den Schubladen der Verwaltung, soll nun eine einfache Verfassungsgrundlage für die Einführung der Individualbesteuerung geschaffen werden: «Natürliche Personen werden unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert». Helfen auch Sie mit, dass diese Initiative möglichst rasch zustande kommt und wir auf dem Weg zur Gleichstellung einen wichtigen Schritt weiterkommen. www.individualbesteuerung.ch

Christa Markwalder, Nationalrätin