Käthi Bangerter – die Alt-Nationalrätin erzählt

Käthi Bangerter war von 1993 – 1996 die bisher einzige Parteipräsidentin der FDP.Die Liberalen Kanton Bern. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Leben als Geschäftsfrau, Mutter und Politikerin und warum die FDP ihre politische Heimat ist.

Steckbrief Käthi Bangerter-Schober:

Geboren 1937 in Lyss

wohnhaft in Aarberg mit Ehemann Hein Bangerter

hat vier Enkelkinder

Ausgebildete Primarlehrerin, seit der Geschäftsübernahme Geschäftsfrau und auch heute noch aktiv tätig.

 

Politische Mandate:

1972 – 1976 Schulkommission Aarberg

1988 – 1992 Gemeinderätin Aarberg, Ressort Gemeindebetriebe

1990 – 1995 Grossrätin

1993 – 1996 Parteipräsidentin FDP Kanton Bern

1995 – 2003 Nationalrätin

 

Als junge Familie lebten die Bangerters mit den Söhnen in Solothurn. Als der Schwiegervater gesundheitliche Probleme hatte und das Uhrenstein-Atelier nicht mehr gut lief, hat Hein Bangerter beschlossen, sich diesem Geschäft anzunehmen und neu anzufangen. Der Umzug nach Aarberg fand 1969 statt. Zu Beginn hat der Ehemann weitere drei Tage in Solothurn gearbeitet und Käthi hat im Betrieb in Aarberg angepackt. Als Tochter eines Gewerblers war sie von Kind an gewohnt anzupacken und das geschäftliche Denken war für sie selbstverständlich. Sie hat dies auch sehr gerne gemacht. Sie übernahm im neu gegründeten Betrieb die Organisation, die Finanzen und das Personal und Hein hatte die Verantwortung für den Aufbau, die Entwicklung des Betriebes und die Aquisition der Kunden. Käthi war im Geschäft immer voll engagiert, was mit den drei Söhnen drei, - vier und siebenjährig, nicht immer einfach war, auch wenn sie halbtags eine Haushalthilfe zur Unterstützung hatte.

Klein, präzis und schön poliert mussten die Teile der Bangerter Microtechnik sein. Es waren Teile aus überharten Materialien, es waren Nischenprodukte. 2003 ging die Firma an die Söhne über. Diese haben sie weiter ausgebaut und sie stellen heute hochwertige Teile für die Uhrenindustrie und die Medizinaltechnik her.

Die politische Arbeit hat Käthi Bangerter 1972 in der Schulkommission begonnen. Als ehemalige Lehrerin war es naheliegend, dass sie sich für dieses Amt beworben hat, als sie angefragt wurde. Da aber die Sitzungen jeweils am Abend stattfanden und sich die Söhne nicht mehr früh zu Bett bringen liessen, hat sie sich für eine nächste Amtsperiode nicht mehr aufstellen lassen. Später, Ende der 80er Jahre, die Söhne waren erwachsen und in Ausbildung, kam die Anfrage des Parteipräsidenten von Aarberg für eine Kandidatur als Gemeinderätin. Da sie sich für die Politik zu interessieren begann und neben dem Geschäft auch andere Interessen hatte, hat sie sich zur Wahl gestellt. Sie wurde mit einem guten Resultat gewählt. Gerne hätte sie das Ressort Finanzen übernommen, aber da die SVP als Partei stärker war und einen Bankfachmann im Gemeinderat stellen konnte, hatte sie das Nachsehen. Sie erhielt das Ressort Gemeindebetriebe, was sie auch interessierte, denn in dieser Zeit wurde die Wasserversorgung neu und umfassend ausgebaut.

Schon bald standen Grossratswahlen an. Die FDP Aarberg sollte für die Grossratswahlen 1990 auch eine Person stellen. An einer Mitgliederversammlung fiel plötzlich der Name «Käthi Bangerter». Sie lehnte ab, weil sie doch erst im Gemeinderat Einsitz genommen hatte und die Gemeindepolitik faszinierend fand. Der Präsident versicherte ihr, dass eine Wahl unwahrscheinlich sei, da die FDP Amt Aarberg seit 1919 nie mehr im Grossrat vertreten war. Sie sagte, wenn eine Wahl tatsächlich unwahrscheinlich ist, kann ich ja mitmachen. Im Wahlkampf engagierte sie sich voll, nahm an den Wahlkampfpodien teil und wurde zur Überraschung aller gewählt. Da Gemeinderat und Grossrat zusammen mit der Arbeit in der Firma nicht vereinbar waren, hat Käthi die Legislatur im Gemeinderat fertig gemacht, danach aber nur noch im Grossrat politisiert. Kaum im Grossrat angefangen, wurde sie völlig überraschend angefragt das Parteipräsidium der FDP Kanton Bern zu übernehmen. So wurde sie 1993 die erste und bisher einzige Parteipräsidentin der Freisinnigen Bern. Die Kantonalpartei hatte zu dieser Zeit hohe Schulden. Diese mussten getilgt werden. Dank einem guten Vorstand, der als «Führungsstab» klare Aufgaben wahrnahm, konnte sie 1996 das Präsidium mit sanierten Finanzen an einen neuen Präsidenten übergeben. In den 90er Jahren war die FDP Bern erfolgreich. Sie belegte im Nationalrat fünf Sitze und mit Christine Beerli stellte sie eine Ständerätin.

1995 kam die Wahl in den Nationalrat. Hier gelang es Käthi einen Sitz in der einflussreichen Finanzkommission zu ergattern. Die Finanzkommission bietet Einsicht in alle Departemente. Nach vier Jahren konnte sie auch Einsitz in die WBK (Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur) nehmen. Während acht Jahren war sie Nationalrätin und hat neben der politischen Arbeit immer im Betrieb in Aarberg weitergearbeitet.

In den 90er Jahren nahm sie auch Einsitz als Verwaltungsrätin der BEKB, der Mobiliar, der Zuckerfabriken Aarberg-Frauenfeld und als Bankrätin in der SNB.

 

Liebes Käthi, wir schauen in diesem Jahr auf 50 Jahre Frauenstimmrecht zurück. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich mich als Frau politisch äussern und beteiligen kann. Bei Frauen deiner Generation war das aber noch anders. Warst du in deinen jungen Jahren aktiv für das Frauenstimmrecht unterwegs oder in einer Gruppe engagiert?

Nein, für das Frauenstimmrecht habe ich mich nicht aktiv engagiert. In meiner Familie wurde wohl darüber diskutiert. Mein Vater war vehement dagegen und meine ältere Schwester vehement dafür. Ich hörte den Diskussionen zu, ohne mich festzulegen. Ich wurde erst als Geschäftsfrau politisiert. Da habe ich realisiert, dass wir Frauen nicht die gleichen Rechte haben.

Ein Beispiel: Ich wollte für mich privat eine Lebensversicherung abschliessen. Man beschied mir, dass dies nicht möglich sei. Als Frau könne ich dies nicht, mein Mann müsse für mich eine Versicherung abschliessen. Das war für mich nicht nachvollziehbar. Als Geschäftsfrau konnte ich alle notwendigen Geschäfte abschliessen, als Privatperson war ich unmündig! Ich erwachte und begann mich für die Politik zu interessieren und begrüsste es sehr, als das neue Eherecht 1988 eingeführt wurde.

 

 

Kannst du dich erinnern, wie es für dich war, als du an der ersten Abstimmung, bei der Frauen zugelassen waren, teilgenommen hast? War es fast ein Familienfest?

Ein Familienfest war es damals für mich nicht. Als Mutter von drei kleinen Buben und als Geschäftsfrau mit dem Aufbau der Firma voll ausgelastet, fehlte mir die Zeit zur Teilnahme am öffentlichen Geschehen. Ich erinnere mich jedoch, dass ich an der Abstimmung teilnahm, weil ich dies aus einem Pflichtgefühl tun musste. Es waren keine grossen Emotionen, aber ich empfand doch eine gewisse Genugtuung: Jetzt zählt auch meine Stimme.

Über dein politisches Engagement haben wir schon einiges gehört. Nun interessiert es mich, warum du in die FDP eingetreten bist?

Das war für mich klar. Mein Mann war in der FDP und für mich kam keine andere Partei in Frage. Die Werte, die sie vertritt, Offenheit, Wirtschaftsnähe und gesellschaftlich liberale Haltung stimmen für mich.

Erzähl doch bitte etwas, wie es so zu deiner politischen Karriere gekommen ist? Wie war der Einstieg in die Schulkommission, kam da jemand auf dich zu oder bist du hingegangen und hast gesagt, ich will das machen?

Ich wurde angefragt. Ich hatte eigentlich mit Familie und Geschäft genug zu tun, aber für mich war es die Möglichkeit andere Menschen kennen zu lernen und einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten  

Was waren deine Schwerpunktthemen?

Das waren klar Bildung und Finanzen, deshalb habe ich im Nationalrat, als es möglich wurde in einer zweiten Kommission Einsitz zu nehmen, mich für die Kommission Wissenschaft, Bildung und Kultur entschieden. Bildung und immer wieder Weiterbildung sind in unserer schnelllebigen Zeit äusserst wichtig

Kannst du dich an eine speziell amüsante Geschichte erinnern, die du als Frau in der Politik erlebt hast?

Amüsantes erlebt man in der Politik zum Glück immer wieder. Es sind oft kleine unerwartete Begebenheiten. In der Politik müssen wir uns auch nicht immer allzu ernst nehmen, Spässe sind erlaubt. Im Verlauf der Zeit ergeben sich auch Freundschaften.

Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass du von 1993 bis 1996 Parteipräsidentin der FDP warst. Bis heute die erste und die einzige Präsidentin der Partei. Wie ist es dazu gekommen, dass du dieses Amt «bekommen» hast?

In meiner Erinnerung wurde nicht explizit eine Frau gesucht. Vielleicht stand einfach kein Kandidat zur Verfügung. Vom Parteisekretariat wurde wohl mein Wahlerfolg als Grossrätin aus dem Amt Aarberg zur Kenntnis genommen und deshalb kam die Anfrage.

Was denkst du, warum hat es seither nie mehr eine Frau an die Parteispitze geschafft? Oder was kann und sollte die Partei machen, damit sich mehr Frauen in der FDP engagieren und dadurch auch politische Mandate für die FDP belegen würden? Seit 1971 haben es im Kanton Bern für die FDP bisher nur drei Frauen in den Nationalrat geschafft. Die erste Nationalrätin war Geneviève Aubry von 1979 – 1995. Du hast sie dann abgelöst und nun ist seit 2003 Christa Markwalder im Amt. Hast du eine Erklärung, warum es so wenig Frauen, speziell bei der FDP, in unseren höchsten politischen Ämtern gibt?

Bei den freisinnigen Mitgliedern ist noch zu oft ein konservatives Bild in den Köpfen. Das Rollenbild ist auch noch stark verankert. Die FDP Frauen sind oft eher zurückhaltend und stellen sich nicht gerne in den Vordergrund. Vielleicht müsste unsere FDP Politik tatsächlich etwas grüner und familienfreundlicher werden. Ich stelle jedoch fest, dass die heutige Generation Frauen zu meiner Freude selbstbewusster auftritt, was mich recht zuversichtlich stimmt.

Kannst du jungen Frauen, die sich gerne für die FDP engagieren möchten, einen Rat geben, was sie unternehmen müssen, damit sie in politische Mandate gewählt werden?

Sie müssen in der Partei mitmachen, sich einbringen und ihr Interesse zeigen. Sie müssen signalisieren, dass sie bereit sind sich für ein politisches Mandat einzusetzen.

Was hältst du von Quoten?

Ich bin gegen Quoten. Die Partei muss bei der Kandidatensuche immer im Kopf haben, dass es ein Frauenanteil von mindesten 40% braucht. Je mehr Frauen wir auf den Listen haben, desto höher wird der Anteil gewählter Frauen. Wir Frauen wollen wegen unserer Fähigkeiten gewählt werden.

Zum Abschluss noch ein aktuelles Thema: Wie stehst du zu der Individualbesteuerung und zur Initiative, die die FDP Frauen lanciert haben?

Diese Initiative ist sehr gut. Ich unterstütze sie voll und ganz. Es ist die einzige Möglichkeit Steuergerechtigkeit für alle herzustellen.

Das Schlusswort von dir

Ich wünsche mir, dass mehr Frauen in Politik und in der Wirtschaft in Führungspositionen vertreten sind. Dazu braucht es aber vermehrt familienfreundliche Einrichtungen. Tagesschulen wären hilfreich. Das Einkommen der Ehefrau darf nicht zu proportional höheren Steuern führen, deshalb ist die Individualbesteuerung der richtige Weg. 

Ich habe Käthi Bangerter in ihrem Büro in der Firma in Aarberg getroffen Sie lebt mit ihrem Ehemann in Aarberg, im Sommer sind sie in Ligerz zuhause. Sie ist immer noch sehr aktiv und politisch interessiert und arbeitet noch regelmässig für ihre Immobilienfirma. Die Führung dieser Firma will sie nun Ende Jahr abgeben. 

Ich bedanke mich ganz herzlich, dass ich dieses interessante Interview führen durfte, alles Gute für die Zukunft.

Kathrin Hayoz