Wieso die Senioren an der Macht sind

«Wieso die Senioren an der Macht sind» titelte der Tagesanzeiger in einem Artikel vom 10. Juni 2021 und ging dabei der Frage nach, weshalb rund dreiviertel der Gemeinderäte männlich und über 50 sind.

Die Frage trieb auch mich stets um: Ich habe das Privileg, aus einer sehr politisch-denkenden Familie zu stammen, in der gesellschaftliches Engagement stets als eine Selbstverständlichkeit galt – unabhängig von Alter und Geschlecht. Dieses Selbstverständnis spiegelte sich allerdings kaum in den politischen Gremien meiner ehemaligen Heimatgemeinde wider; die Kommunalparteien bekundeten allesamt Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Kandidatinnen und Kandidaten. Als sich im Jahr 2007 nicht genügend Kandidierende für die Gemeinderatswahlen finden liessen und sich eine stille Wahl für den Pieterler Gemeinderat abzeichnete, beschloss ich (mit knapp 21 Jahren) selbst zu kandidieren und in die Fussstampfen meines Vaters zu treten, der lange Jahre als Gemeinderat und Gemeindepräsident tätig war. Der fünfköpfige Gemeinderat bestand anschliessend während vier Jahren aus einer eher seltenen Konstellation: drei der fünf Mitglieder waren Frauen und zwei jünger als 22 Jahre.

 

Während meines Exekutivmandats lernte ich enorm viel – über Politik, Menschen und meine eigenen Stärken und Schwächen. Es ist eine Zeit, die ich nicht missen möchte, denn sie hat mich menschlich und beruflich weitergebracht. Dieses Amt war jedoch nicht nur einfach; die Herausforderungen decken sich mit der Aussage im eingangs erwähnten Artikel: Der vom Tagesanzeiger interviewte 71-jährige Gemeindepräsident von Stallikon hält fest, «wie viel Arbeit so ein Amt bringe, dass man den Kindern nicht mehr bei den Hausaufgaben helfen könne, Freunde weniger zu Gesicht bekomme oder seine Vereinstätigkeit aufgeben müsse». Auch ich musste feststellen, dass es enorm anspruchsvoll ist Studium, Hochschulpraktika und politisches Engagement unter einen Hut zu bringen. Das zeitliche Engagement (von 3-stündigen Budget-Sitzungen bis hin zur ganztägigen Seniorenausfahrt) war nur schwer mit einem Studium in Lausanne unter einen Hut zu bringen.

Umso grösser ist mein Respekt vor denjenigen Menschen, die Familie, Beruf und politisches Engagement vereinbaren und diesen schwierigen Balanceakt meistern. Unser Milizsystem lebt vom Einsatz solcher Personen. Gerade im Jubiläumsjahr des Frauenstimmrechts gilt es nun, die Hürden für ein politisches Engagement von Frauen generell, und berufstätigen Müttern mit kleinen Kindern im Besonderen, zu senken. Die Ideen und Modelle sind da (siehe auch Freisinn Nr. 4/2020) und die FDP.Die Liberalen Frauen Kanton Bern setzen sich für deren Umsetzung ein.